Von Theresa aus Berlin, 25 Jahre alt

TheresaIn unserem Institut an der Kunsthochschule waren mal wieder alle Computer zusammengebrochen, und Professor Nielsbach war sehr bemüht, das Netzwerkproblem so schnell wie möglich reparieren zu lassen. Die Firma schickte einen IT-Spezialisten, aber was für einen. Kastanienbraune Augen, schwarzes gelocktes Haar, Dreitagebart, sehr sportliche Figur, zum ersten Mal erlebte ich meine Kommilitoninnen so still.

Also wer, wenn nicht ich, musste ihn nun unbedingt ansprechen? Dabei dachte ich: so ein selbstgefälliger Gigolo. Mir war völlig egal, was er sagte, ich verstand ihn gar nicht, denn ich war so überwältigt von dieser Stimme, irgendwo zwischen Bariton und Bass angesiedelt, dass ich mich meiner Gänsehaut nicht erwehren konnte.

Erste Verabredung

Am gleichen Abend saßen wir in einer kleinen gemütlichen Pizzeria gegenüber der Parkanlage. Sein Name war Lorenzo Lombretta, und er hat Informatik in Mailand studiert. Ich erzählte ihm von meiner Studienfahrt nach Florenz, dass ich wahnsinnig hingerissen war von diesen kleinen süßen Orten der Toscana, die Geschlechtertürme von San Giminiano, Volterra, Siena, Cecina al Mare, der Schiefe Turm von Pisa. Überhaupt erzählte ich an diesem Abend unheimlich viel, ich weiß gar nicht, ob Lorenzo überhaupt großartig zu Wort gekommen ist.

Eine Liebe beginnt

So schlecht kann ihm aber der Abend nicht gefallen haben. Am nächsten Abend blieb er über Nacht bei mir, und mit tiefster Überzeugung habe ich ihn ohne Gnade vernascht. So plätscherten etliche sehr glückliche Tage dahin, bis ich mich eines Morgens ganz miserabel fühlte. Mir war so übel und schwindelig. Trotzdem kaufte ich mir unten am Kiosk eine große Tüte Gummibärchen, normalerweise hasste ich Gummibärchen.

Am Nachmittag sah mich meine Oma sehr aufmerksam an: „Kind, Du kannst mir doch nichts vormachen, Du bist schwanger.“ Ein greller Blitz durchzuckte mein Herz, denn ich kannte meine schlaue Oma, sie hatte bisher immer Recht behalten. In der Apotheke ließ ich mich beraten und kaufte den zuverlässigsten Schwangerschaftstest, der im Angebot war.

Die Stunde der Wahrheit

Lorenzo bemerkte am Abend sofort meine Nervosität und Unkonzentriertheit und versuchte mich irgendwie aufzumuntern. In meiner Hand hielt ich dieses kleine Gefäß, in dem sich diese ringförmige Struktur so unzweifelhaft ausgebildet hatte. Auf seine Frage, was das wohl sei, erklärte ich ihm unter Tränen, die zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch Freudentränen waren, dass ich schwanger bin mit seinem Kind.

Lorenzo wich stumm zurück und setzte sich auf einen Küchenstuhl. Nach einer gefühlten Unendlichkeit vergrub er nur sein Gesicht in seinen großen Händen, die Ellenbogen auf den Knien aufstützend. Ich wusste nicht, was ich mit einer solchen Reaktion anfangen sollte. Bevor ich mit einer Frage ansetzen konnte, stand Lorenzo auf und sagte nur: „Scusi mia dolce, aber ich muss jetzt dringend etwas erledigen.“

Wie soll es nur weitergehen?

Die ganze Nacht lang konnte ich nicht schlafen. Meine Gedanken kreisten immer wieder um dieselben Zentren herum: das Baby, kein Vater, kein Partner, mein Studium, meine Eltern, mein Geldmangel, es war zum Verrücktwerden. Mit Übelkeit und schwarzen Ringen unter den Augen rief ich morgens bei meinem Hausarzt an, um für den Nachmittag einen Termin zu vereinbaren. Ich wollte mir von ihm erklären lassen, wie so eine Abtreibung abläuft.

Die Auflösung

Ich kam gerade weinend aus der Dusche und wollte mich anziehen, um zum Arzt zu gehen, als es an der Tür klingelte. Das war nun wirklich ein sehr ungünstiger Moment, um schon wieder ein DHL-Paket für die Nachbarin anzunehmen. „Lisa, per favore aperti, ich habe eine Überraschung für Dich“, hörte ich diese samtige Stimme, die ich so geliebt habe, gedämpft durch die Tür raunen. Ich hatte mir fest vorgenommen, diesen Mann nie wieder in meine Wohnung zu lassen, aber ich habe es getan.

Da waren nicht nur 50 rote Rosen, an denen ich mich gestochen habe, unten vor der Tür stand mit stinkendem laufendem Motor ein roter Fiat Cinque Cento Oldtimer mit offenem Dach, und quer über die Motorhaube stand in weißer Schrift „Firenze“ geschrieben, jener Zielort, wo Lorenzo jetzt sofort mit mir hinfahren wollte. Sein Argument: Solange wir noch zu zweit sind, reicht uns doch questa piccola machina, oder … ?
 

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